Die Tradition, das Ende des Winters lautstark zu feiern, hat auf der ganzen Welt Bestand. In Russland verwandelte sich im 16. Jahrhundert die heidnische Abschiedsfeier vom Winter in die Masleniza. Die orthodoxe Kirche kämpfte eifrig gegen das Heidentum, aber es gelang ihr nicht, die Volkstraditionen auszurotten. Die Kirche ging den bewährten Weg und christianisierte die heidnische Fastnacht.
MASLENIZA — DIE BUTTERWOCHE
Das Wort „Masleniza“ sagt aus, dass es an diesen Tagen üblich ist, Milch, Butter und Milchprodukte zu essen. Orthodoxe Gläubigen verzichten bereits während der Masleniza-Woche auf Fleischprodukte, um sanft in die Fastenzeit einzusteigen.
Im Jahr 2021 werden die orthodoxen Christen am 2. Mai Ostern feiern. Die Fastenzeit beginnt 47 Tage davor am 15. März. Dementsprechend fällt die „Butterwoche“ in diesem Jahr in die Zeit vom 8. bis zum 14. März.
FÜR UNTERHALTUNG WIRD GESORGT
Die traditionellen Attribute der Masleniza-Volksfeier sind die Maslenitsa-Vogelscheuche, Pferdeschlittenfahrten, Spiele und Wettkämpfe. Das kulinarische Symbol dieser Zeit sind russische Eierkuchen — Blini.
Die Maslenitsa-Vogelscheuche ist eine Strohpuppe, die Ende der Woche auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird. Ähnliche Rituale finden sich auch bei Volksfesten in anderen Ländern.
Das Verbrennen der Strohpuppe bedeutet die Wiedergeburt aller Natur. Die rituelle Strohpuppe verkörpert den Tod, den Winter, alles Kranke und Böse. Man verbrennt sie, um sich zu reinigen und alle angesammelten Probleme loszuwerden.
Hochklettern auf einen hohen Stammbaum ist eines der ältesten Masleniza-Spiele. Die Männer demonstrierten Geschicklichkeit und „reckenhafte Kräfte“ aus einem bestimmten Grund. Masleniza war die Zeit, in der man um die Braut warb. Junge Burschen hatten hier die Möglichkeit, ihren potenziellen Bräuten den kraftvollen, muskulösen und freien Oberkörper zu zeigen.
Heutzutage gehört die Tradition des Brautwerbens der Vergangenheit an. Um Männer zu ermutigen, auf den hohen Stamm zu klettern, werden Preise an seiner Spitze angebracht.
Ursprünglich hatte der Brauch auch eine spirituelle Bedeutung. Der Baumstamm verkörperte die Verbindung zwischen der unteren Welt der Geister, der mittleren Welt der Menschen und der oberen Welt der Götter.
Eine weitere Tradition zu Masleniza war die Einnahme der Schneestadt. Tore und Wände der „Stadt“, der „Festung“ wurden aus Schnee geformt und darauf Figuren verschiedener Tiere platziert. Die Teilnehmer des Spiels wurden in zwei Teams aufgeteilt. Das eine Team musste die Festung verteidigen, während das andere versuchte, sie einzunehmen und zu zerstören.
MASLENIZA IN DER MALEREI
Wassili Surikow präsentierte sein Gemälde „Einnahme der Schneestadt“ auf der 19. Peredwischniki-Ausstellung, die im März 1891 in St. Petersburg eröffnet wurde.
1899 kaufte der berühmte Sammler und Mäzen Wladimir von Meck das Bild für 10.000 Rubel vom Künstler. Von Meck stammte aus einer Familie von Ostsee-Deutschen. Sein Großvater väterlicherseits, Karl von Meck, war einer der Begründer des russischen Schienenverkehrs.
Um zu beurteilen, wie kostspielig das Bild „Einnahme der Schneestadt“ war, hier einige Zahlen zu Preisen und Löhnen in Russland um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.
Ein Kilogramm Rindfleisch kostete damals 0,45 Rubel, ein Kilo Kartoffeln 0,03 Rubel, Weizenmehl bekam man für 0,19 Rubel pro Kilogramm und 3,20 Rubel musste man für ein Kilo schwarzen Kaviar bezahlen.
Der Lohn eines Arbeiters betrug 8-25 Rubel. Einfache Beamte erhielten ungefähr das gleiche – 20 Rubel monatlich. Ärzte hatten ein Gehalt von ca. 80 Rubel. Gouverneure – von etwa tausend Rubel.
Wassili Surikow „Einnahme der Schneestadt“, Russisches Museum, Sankt Petersburg © wikimedia
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DIE BUTTERWOCHE
Jeder Tag der Masleniza-Woche hat seine eigenen Bedeutungen und Rituale.
Der Montag war der Tag der Begrüßung, an dem die Masleniza, vor allem von den Kindern, freudig willkommen geheißen wurde und man aus Stroh die Masleniza-Puppe bastelte. Die Vorbereitungen aufs Fest wurden abgeschlossen und man backte die ersten festlichen Blinis. Es war üblich, sie an die Armen zu verteilen.
Der Dienstag war der Tag der Spiele, an dem es allerlei Straßenvorstellungen, Schauspiele und Bälle gab und wo die jungen Leute sich auf Brautschau begaben.
Am Mittwoch, dem Tag des Leckermäulchens, fanden sich die Schwiegersöhne zum feierlichen Blini-Essen bei ihren Schwiegermüttern ein, wofür sich die Schwiegersöhne aber am Freitag, dem Schwiegermutterabend, ebenfalls mit einem Blini-Essen zu revanchieren hatten.
Boris Kustodijew „Masleniza“, Russisches Museum, Sankt Petersburg © wikimedia
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Der Donnerstag war zum Toben gedacht. Am Donnerstag begann die Masleniza in großem Stil. An diesem Tag tanzte und sang man zusammen, fuhr Schlitten, sprang über´s Feuer und veranstaltete Faustkämpfe. Die „Einnahme der Schneestadt“ hatte in diesem Tag des Tobens stattzufinden.
Der Samstag wurde mit Verwandtenbesuchen begangen.
Seinen Abschluss fand die Butterwoche am Sonntag, dem Tag der Vergebung, mit dem feierlichen Verbrennen der Masleniza-Puppe. Unter Umarmungen bat man sich gegenseitig um Vergebung für vergangene Verfehlungen, um befreit von Altlasten die Fastenzeit beginnen zu können. Man ging auch an diesem Tag in die Banja.
Verbrennen der Vogelscheuchen. Nowokusnezk, März 2020 © Swetlana Sosonowskaja |
DAS HAUPTGERICHT DER RUSSISCHEN MASLENIZA
Nicht dünne, sondern dicke Hefeeierkuchen gelten ursprünglich als einheimisch russisch. Sie wurden oft mit Buchweizen und Roggenmehl gebraten. Aber im Laufe der Zeit wurde der Ruhm der besten Gastgeberin von denen erlangt, die hauchdünne Blini (Eierkuchen) backen konnten.
Hier sind zwei geprüfte Rezepte für solche Blini von Svetlana Kottsova.
KEFIR-BLINI
2 Eier
2-3 EL Zucker (nach Belieben)
350 ml Kefir
0,5 TL Kaisernatron
0,5 TL Salz
350 ml kochendes Wasser
250 g gesiebtes Mehl
2 EL Öl
Kaisernatron zu warmem Kefir einmischen, fünf Minuten stehen lassen. Salz, Zucker, Eier hinzufügen. Alles vermischen. Mehl hinzugeben. Alles vermischen. Kochendes Wasser eingießen. Gründlich vermischen, Pflanzenöl hinzufügen, erneut vermischen und sofort backen.
MILCHBLINY
2 Eier
1,5 EL Zucker
eine Prise Salz
375 ml warme Milch
125 ml kochendes Wasser
150 g gesiebtes Mehl
2 EL Öl
Eier mit Zucker schlagen. Etwas warme Milch hinzufügen, umrühren. Mehl und Salz dazugeben. Umrühren, bis eine homogene dicke Konsistenz entsteht. Jetzt kann die restliche Milch und das Pflanzenöl hinzugefügt werden. Alles vermischen und das kochende Wasser dazu geben, anschließend alles schnell verrühren.
Eine Pfanne stark erhitzen und die Blinis backen. Sie muss nur vor dem ersten Blini mit Öl eingefettet werden, danach ist dies nicht mehr notwendig.
© Яна Тикунова, Pixabay
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WEISHEITEN ZU MASLENIZA
Es wurde angenommen, dass die Zahl der Blini, die die Gastgeberin backte, der Zahl der sonnigen und warmen Tage im Sommer entspräche.
Wenn der erste Blini dick ist, wird das nächste Jahr schwierig sein und man wird hart arbeiten müssen, aber wenn er dünn und etwas löchrig ist, kann man mit einem glücklichen und leichten Jahr rechnen.
Wenn ein nicht verheiratetes Mädchen drei Eierkuchen hintereinander anbrennt, glaubte man, dass sie noch drei Jahre lang nicht heiraten würde.
Wenn man am Mittwoch der „Butterwoche“ Erbsen und am Donnerstag Blinis isst, wird der Wohlstand das ganze nächste Jahr über das Haus nicht verlassen.
Text: Evgeniya Kirsch
Bild: © Августа Иванова, Pixabay