Die Krankengeschichte von Johann Wolfgang von Goethe beginnt mit der Nabelschnurumschlingung des wie leblos geborenen Säuglings und endet mit dem Herzinfarkt des Hochbetagten.
Dazwischen litt Goethe unter der Mehrheit der in seiner Zeit typischen Krankheiten, wie Masern, Windblattern, Pocken, Katarrhen, Infekten, Mandelentzündung, Verdauungsstörungen, Rheuma, Kopfschmerzen, Schwindelanfällen, einer Gesichtsrose, Angina pectoris, Netzhautentzündung, Lungenentzündung, Herz- und Kreislaufstörungen, einem Blutsturz bei Erhalt der Meldung vom Tod seines Sohns August, einer Gehirnhautentzündung, Nierenkoliken, Herzbeutelentzündung und üblen Zahnschmerzen.
Außerdem war er wohl auch ein wenig hypochondrisch, seelisch leicht erschütterbar, wetterfühlig, kälteempfindlich, licht- und wärmebedürftig und Krankheiten hielt er für „das größte irdische Übel“, glaubte aber daran, dass Leiden „dem Gemüt doppeltes Leben und Kraft“ verleihe. Sprechen wollte er über seine Gebrechen nicht: „Nur die Gesundheit verdient, remarkiert zu werden.“
Goethe starb am 22. März 1832 im Alter von 82 Jahren in Weimar. Der Tod ereignete sich mittags um halb zwölf. In seinem Sessel sitzend schied der Dichter aus dem Leben.
DIE ZEUGEN DES TODES
Im Bericht von Goethes Leibarzt Carl Vogel (1833) ist Folgendes zu lesen: „Die Sprache wurde immer mühsamer und undeutlicher. „Mehr Licht“ sollen, während ich das Sterbezimmer auf einen Moment verlassen hatte, die letzten Worte des Mannes gewesen sein, dem Finsternis in jeder Beziehung stets verhasst war.“
Es gibt jedoch andere Versionen dessen, was Goethe vor seinem Tod gesagt haben soll. Ottilie von Goethe, seine 21-jährige Schwiegertochter, die auch bei seinem Tod anwesend war, bescheinigte, dass am Morgen des 22. März Goethe sich mit ihr, „mit seiner Tochter“ über den nahenden Frühling unterhielt und den Wunsch äußerte: „Komm, Frauenzimmerchen, gib mir Dein liebes Pfötchen!“ In ihren Armen starb Goethe, ohne dass Ottilie den Moment des Todes gespürt hätte. Carl Vogel löste ihre Hand aus der des Toten.
Viel weniger gern erzählen die Anhänger des akademischen Bildes des großen Dichterfürsten von der Version seines letzten Leibdieners Gottlob Friedrich Krauses, der seinerseits zum Protokoll gab: „Es ist wahr, dass er meinen Namen zuletzt gesagt hat, … er verlangte den Botschanper (Nachttopf — EK), und den nahm er noch selbst und hielt denselben so fest an sich, bis er verschied.“
ERSCHAFFEN SIE IHRE EIGENE LEGENDE. DAMIT HABEN AUCH GÖTTER ANGEFANGEN
Der Satz wird dem polnischen Lyriker und Aphoristiker Stanisław Jerzy Lec (1909-1966) zugeschrieben.
Johann Wolfgang von Goethe wurde noch zu Lebzeiten zum Gott und einer Legende. Seine Nächsten konnten es deshalb nicht zulassen, dass sich die Nachwelt an das lautlos sterbende Genie, das einen Nachttopf in der Hand hielt, erinnert. Daher wurde als letztes Wort Goethes das pathetische „MEHR LICHT!“ in die Annalen der Geschichte eingetragen. Und in der Tat stimmt dieser Satz mehr mit dem Ruhm und Charakter des größten Dichters der deutschen Nation überein.
Dieses „Mehr Licht!“ gab wohl den Designern im 21. Jahrhundert den Anlass, eine Nachtlampe in Form des leuchtenden Kopfes von Johann Wolfgang von Goethe zu schaffen und uns damit die Gelegenheit, um vielleicht mal wieder am Abend, von Goethe beleuchtet, seine unsterblichen Werke zu lesen.
Text und Bild: © Evgeniya Kirsch
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